Die Welt ist komplexer geworden seit dem Alten Testament. Das hat auch der Vollblutpolitiker Franz Josef Strauß bemerkt, als er 1986 meinte: „Die Zehn Gebote enthalten 279 Wörter, die amerikanische Unabhängigkeitserklärung 300, die Verordnung der Europäischen Gemeinschaft über den Import von Karamellbonbons aber exakt 25.911.“
30 Jahre später sind das olle Kamellen. Ein Art Religionskrieg tobt in Ösien, und wider Erwarten ist es nicht der Islamismus, der uns bedroht: Der fundamentalistische Bürokratismus ist drauf und dran, der Wirtschaft als Grundlage für alles[1] das Lebenslicht auszublasen.
Fast scheint es, der Beamte als Lebensform habe beschlossen, sich für seine Berufsentscheidung an der Welt zu rächen. Ein sicherer Job und eine überschaubare Arbeitsbelastung trösteten jahrzehntelang viele Schreibtischtäter über die oft monotone Verwaltungstätigkeit mit wenig Gestaltungsspielraum in einer eher spartanischen Arbeitsumgebung hinweg. Doch dieses Bild hat sich dramatisch gewandelt: Hieß es früher scherzhaft „der Beamte hat nix, aber das hat er fix!“, sind öffentlich Bedienstete mittlerweile ihren Kollegen in der Privatwirtschaft davongezogen – beim Einkommen, bei der Büroinfrastruktur, in der Pension.
Doch das genügt ihnen nicht: In trauter Einigkeit haben Politik und Beamtenschaft in Ösien den heiligen Krieg gegen die heimische Wirtschaft ausgerufen – ungeachtet des Umstandes, dass ohne Betriebe, ihre Mitarbeiter und deren Steuerleistung auch sie selbst arbeits- und einkommenslos wären. Ungerührt von den Hilfeschreien der Unternehmer beschließt die Politik ein Bürokratiemonster nach dem anderen – Arbeitszeitgesetz, Altlastensanierungsgesetz, Energieeffizienzgesetz, Behindertengleichstellungsgesetz, Allergenverordnung, Registrierkassenverordnung etc. – mit dem Effekt, dass kaum ein Unternehmer mehr in der Lage ist, alle diese Gesetzesmaterien zu verstehen, geschweige denn sich an alle zu halten.
Dann kommen die Bodentruppen der Politik zum Einsatz: Die beinahe allmächtigen Staatsdiener prüfen, kontrollieren, perlustrieren solange, bis das Opfer überführt ist. Und die Strafen sind drakonisch: Viele ösische Erdbewegungsunternehmen sind mit „Sanierungsbeiträgen“ in Höhe von mehreren hunderttausend Euro konfrontiert, weil ihnen für die Deponierung von reinem Erdaushub an einer dafür vorgesehen Stelle eine von einem knappen Dutzend Genehmigungen gefehlt hat. Für minimale Versäumnisse bei der Beschäftigung von Ausländern – etwa das Fehlen einer beglaubigten Übersetzung bei Vorliegen des Originaldokuments – sind Strafen von einigen tausend Euro fällig. Verfehlungen nach dem Arbeitszeitgesetz können schnell existenzbedrohend werden.
Dazu kommt ein unüberschaubarer Wust von Kontroll-, Prüf-, Unterweisungs- und Berichtspflichten für den Unternehmer. Allein 35 verschiedene Aufgaben hat ein Tischler jährlich, monatlich, wöchentlich oder laufend nachweislich zu erledigen. Das betrifft die Unterweisung der Mitarbeiter in Sicherheitsfragen (nicht mit der Hand in die Kreissäge greifen) bis zur Sicherstellung, dass jeder, der mit dem Lieferwagen fährt, im Besitz eines gültigen Führerscheins ist. Sonst ist der Unternehmer dran.
Sinngemäß warnten schon die Cree-Indianer vor einer Diktatur der Bürokratie: „Wenn der letzte Unternehmer in den Konkurs getrieben, der letzte Arbeitsplatz verloren und der letzte Steuereuro verschwendet ist, werdet ihr feststellen, dass man Gesetze nicht essen kann.“
[1] „Wirtschaft ist nicht alles, aber Grundlage für alles!“ Zitat: Dr. Christoph Leitl, Bundeswirtschaftskammerpräsident
Dieser Text ist erschienen in einer „advantage“-Beilage zu News, Profil und Trend.
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