Klagenfurt am Wörthersee, in Tourismustexten gerne als mediterran beschriebene Landeshauptstadt und imageträchtiger Sitz des größten Binnenstrandbads Europas, hat seit mehr als einem Jahr kein Hallenbad mehr. Und auch keines in Aussicht, denn die Stadtpolitik ist seit rund 20 Jahren anhaltend unfähig, einen Ersatz für das 1970 errichtete und 2021 endgültig dahingemorschte Bad in der Gasometergasse zu schaffen. Kurze Chronologie eines langen Versagens.
Wo der Anfang vom Ende des Hallenbads liegt, lässt sich heute kaum mehr feststellen. Der Standard, 29. September 2011: „Einig ist man sich im Rathaus zwar darüber, dass das derzeitige Klagenfurter Hallenbad nicht mehr lange genutzt werden kann – doch über den angedachten Neubau herrscht schon seit Jahren Zwist in der Stadtregierung. Den konnte auch die jüngst von Bürgermeister Christian Scheider (FPK) präsentierte Expertenstudie nicht aus der Welt schaffen. Darin wurden drei mögliche Standorte für das Projekt ‚Hallenbad neu‘ geprüft: Der Campingplatz nahe dem Strandbad am Wörthersee, das Gelände nördlich von Minimundus und der Messeparkplatz in der Innenstadt. Fazit der 35.000-Euro-Studie: Der Campingplatz ist der geeignetste Standort. Dazu kommt, dass es nur für diesen Platz eine Kofinanzierung durch das Land gäbe.“ Bis dahin hat die Standortsuche bereits mindestens 80.000 Euro verschlungen. Ein Klacks, verglichen mit den Kosten, die anfallen, um dem maroden Hallenbad noch ein paar Jahre Laufzeit und der unfähigen Stadtpolitik eine Gnadenfrist zu verschaffen: „Das alte Hallenbad in der Gasometergasse wird voraussichtlich bis 2014 offen bleiben, was die Stadt allerdings 10,4 Millionen Euro kosten soll.“
Stolperstein Campingplatz
2012 platzt die Mesalliance von FPÖ und SPÖ in der Landeshauptstadt, weiter herrscht viel Lärm um nichts. Kärntner Woche, 11. Januar 2013: „Wie die WOCHE exklusiv berichtete, plant Bgm. Christian Scheider die Errichtung eines Bürgerbeteiligungsbüros in der Klagenfurter Innenstadt. Dabei sollten die Bürger Ideen und Konzepte zum neuen Hallenbad vorbringen können – betreut wird das Büro von einem Projektteam, dass den Ideenfindungsprozess auch moderiert.“ Ein Déjà-vu aus Scheiders erster Amtszeit, doch Hallenbad gibt es in der Landeshauptstadt bis heute keines. Ursprünglich und selbstverständlich in der Ostbucht geplant, wurde ein Neubau von Veränderungsgegnern aller Couleurs gezielt madig gemacht: Der Lärm störe, der Verkehr töte, die Hundeschwimmwiese dürfe nicht geopfert werden, der Campingplatz sei eine Art Welttourismuskulturerbe. Was zählen schon die auch für den Laien offensichtlichen Vorteile – die Marke Wörthersee, die vorhandene Infrastruktur, die Kompetenz am Standort Strandbad, die Ganzjahresbeschäftigung der Badmitarbeiter, die Ergänzung als touristisches Schlechtwetterangebot im Sommer –, wenn’s nicht mehr so schön still is uman See.
Millionenpoker
Zeit zieht ins Land, Politiker kommen und gehen, 2015 löst Maria-Luise Mathiaschitz Scheider im Bürgermeisteramt ab. 2018 fällt die finale, endgültige, allerletzte Entscheidung nach einem neuerlich umstrittenen Bürgerbeteiligungsprozess: Das neue Hallenbad wird gegenüber von Minimundus gebaut. Aus bis heute unerfindlichen Gründen erwirbt die Baufirma Kollitsch die sogenannten Rohrer-Gründe, um sie der Stadt um 7,9 Millionen Euro weiterzuverkaufen. Anneliese Rohrer, Mitglied der Erbengemeinschaft und renommierte Innenpolitik-Journalistin („Die Presse“) wundert sich öffentlich: „Die Stadt hätte sich bei Direktverhandlungen Millionen ersparen können.“ Der Vorwurf wird nie aufgeklärt. Auf die Frage der Kleinen Zeitung (2020), wie sie denn persönlich zum Vorhaben der Stadt stünde, auf dem Grundstück ein Hallenbad zu errichten, meint Rohrer: „Gar nicht, weil die Stadt Klagenfurt für dieses Areal bereits ein Fußballstadion, ein Olympiastadion, eine Eishalle und ein Einkaufszentrum geplant hat.“
Einstürzende Leuchttürme
Und das dürfte nicht das Ende der Geschichte sein, denn auch das Minimundus-Hallenbad ist mittlerweile Geschichte: Vom „internationalen Leuchtturmprojekt“ mit Bad, Hotel, Mobilitätsknoten und einem Triathlon-Leistungszentrum mitsamt Indoor-Radrennbahn, das Bauunternehmer Kollitsch und der Baukonzern Porr noch im Sommer 2021 vorstellen, bleibt bis Dezember 2021 nur eine Entzweiung und der Streit mit der Stadt um hunderttausende Euro an offenen Rechnungen. Inzwischen ist Scheider schon wieder Bürgermeister, das ihn umgebende Chaos ist geblieben, und ein Mail aus seinem Büro an die Baufirma bezüglich einer Umplanung in Modulbauweise könnte noch im nachhinein hunderttausende Euro kosten.
Baurecht ohne Bauland
Seit mehr als einem Jahr ist Klagenfurt also eine Landeshauptstadt, in der es nicht nur keine städtische Bibliothek, sondern auch kein Hallenbad gibt. Die bisherigen Badegäste und Schulklassen bleiben daheim oder müssen für ein bisschen Spaß im Nass nach Villach oder nach St. Veit fahren. Den Schwimmvereinen der Metropole am Wörthersee geht der Nachwuchs aus. Das ist so, als würden die Innsbrucker das Schifahren verlernen. Der Stadtpolitik scheint diese Pleiten-, Pech- und Pannenserie nicht einmal peinlich zu sein, im Gegenteil, sie macht munter weiter: Die neueste (Spar-)Version des Hallenbades soll nun am Südring entstehen. Doch auch hier, an diesem Un-Standort mitten im Nirgendwo, nicht urban, nicht am See, gilt: Außer Spesen nichts gewesen. Wo an der „Sportmeile“ zwischen Fußballstadion und Leichtathletikarena ein Trainingsbad für Sportler und Vereine ein urbanes Lebenszeichen wäre, soll nun ein Publikumsbad errichtet werden. Im Mai stellt Stadtwerke-Vorstand Erwin Smole, dem man das leidige Thema umgehängt hat, eine Eröffnung 2024 in Aussicht. Anfang Juli wird ein Baurechtsvertrag für das Grundstück mit dem Eigentümer, der katholischen Kirche, unter Dach und Fach gebracht (für 30, 40 oder 50 Jahre, um 100.000 Euro pro Jahr). Das Rathaus jubelt.
Doch schon Ende August kommt die Ernüchterung: Die Fläche ist aus wasserbautechnischer Sicht ungeeignet und kann laut zuständiger Landesabteilung gar nicht in Bauland umgewidmet werden, berichtete unter anderem die Krone. Seitdem herrscht betretenes Schweigen. Was macht die Stadt jetzt mit dem unbebaubaren Grund um 100.000 Euro im Jahr? Wer ist schuld an dieser Fehlinvestition? Was sind ihre Konsequenzen? Und wie soll es nun weitergehen?
Vision „Station City“
Vielleicht finanzieren die Stadtsenatsstrategen den geschmalzenen Baurechtszins aus dem inzwischen erfolgten Verkauf des alten Hallenbades an eine steirische Bietergemeinschaft, die dort – ganz was Neues – Wohnungen und Geschäfte errichten will. Kleine Zeitung, 29. September 2022, auf den Tag genau elf Jahre nach dem einleitenden „Standard“-Artikel: „Grundsätzlich soll aber alles in Anlehnung an den Europan-Wettbewerb umgesetzt werden, bei dem das Architekturbüro Kosmos mit der Idee eines Viertels für Wohnen, Arbeiten und Lernen gewann.“ Was sich die russischen Architekten ausgedacht haben, passt nur leider gar nicht zur Weiterentwicklung der ursprünglich angedachten „Bildungsmeile“ von HAK, Europagymnasium und HTL über WIFI-Technikzentrum, TAZ und Makerspace bis hinunter zur Fachhochschule in der Primoschgasse. Und schon gar nicht zu dem seit einiger Zeit kursierenden, ambitionierten Konzept einer modernen „Station City“, die der Bedeutung der 2026 in Betrieb gehenden Koralmbahn Rechnung tragen und östlich vom Bahnhof – dem dann neuen Klagenfurter Tor zur Welt – auf den freiwerdenden Flächen zwischen Fachberufsschule und Südbahngürtel entstehen soll.
Stadt ohne Plan
Während sich Städte wie Graz oder Linz in den vergangenen Jahren städtebaulich, infrastrukturell, kulturell, verkehrsmäßig und wirtschaftlich enorm weiterentwickelt haben, herrscht in Klagenfurt wunschloses Unglück. Wie soll diese Stadtregierung, die seit Jahrzehnten keinen Plan hat, kein Hallenbad, keine Belebung des historisch einzigartigen Lendkanals, kein wirtschaftlich attraktives Standortprofil, nicht einmal einen Pilotversuch „Lebensraum Bahnhofstraße“ politisch unfallfrei zustande bringt, jemals die Entwicklung eines neuen Stadtviertels schaffen? Und damit vielleicht den längst überfälligen Beweis dafür erbringen, dass es sich bei Klagenfurt in der Tat um eine Landeshauptstadt handelt – und nicht um einen Vorort ihrer selbst. (Foto: Kärntner Woche)
Wetten die Kirche wußte daß das Grundstück nicht in Bauland umgewidmet werden kann