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Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat mittlerweile vor dem EU-Parlament, dem US-Kongress, dem deutschen Bundestag, dem britischen Unterhaus gesprochen. Heute wird er das französische und das japanische Parlament um Unterstützung gegen das entmenschte Russland bitten.

Nur in Österreich darf der von Russland offen mit dem Tod bedrohte Anführer des bewaffneten Widerstands der freien Welt nicht sprechen: Die schon lange von allen guten Geistern verlassene FPÖ und die SPÖ in Form ihrer außenpolitischen Sprecherin Rendi-Wagner verstecken hinter der österreichischen Schein-Neutralität. Das verwundert bei der traditionell russophilen FPÖ kaum, die gerne die wärmende Nähe eines autoritären Systems suchte, gar einen „Freundschaftsvertrag“ mit der Putin-Partei „Einiges Russland“ schloss und deren Spitzenvertreter sich feixend mit Grinsefotos aus Moskau produzierten. Die Putin-Liebe ist mittlerweile etwas kompliziert geworden, inzwischen muss sich sogar die ehemalige Außenministerin (auf einem Ticket der FPÖ) und heute nach Selbstdefinition „politisch Verfolgte“ Karin Kneissl Sorgen um die wertvollen Geschmeide machen, die ihr Putin als in jeder Hinsicht Überraschungsgast bei ihrer Hochzeit geschenkt hat.

Auch die SPÖ sucht Schutz unter der sicherheitspolitischen Hängematte der Neutralität. Seit bald 70 Jahren kauert das „immerwährend“ neutrale Österreich gratis unter dem Schutzschirm, den die NATO über Europa errichtet hat, und überhörte geflissentlich den Rüffel des ehemaligen US-Präsident Ronald Reagan, der einmal meinte: „Es gibt keine Neutralität zwischen Gut und Böse.“ Mittlerweile hat Österreich sein Bundesheer dermaßen verkommen lassen, dass auch in Zeiten eines Krieges in Drohnenreichweite die Flugbereitschaft unserer Eurofighter nur bis 20.00 Uhr reicht. Danach ist Österreichs Luftraum bis 6.00 Uhr schutzlos, weil eine Bereitschaft der Kampfjets rund um die Uhr nach offizieller Diktion zu teuer ist. Oder weil sie nachts mangels geeigneter Ausstattung nur eingeschränkt militärisch einsatztauglich sind, sagen andere.

Einer der unrühmlichen Tiefpunkte der jahrzehntelangen budgetären Aushungerung der Landesverteidigung war erreicht, als sogar die Militärmusik mit angemieteten Bussen zu ihren Auftritten fahren musste, weil das Heer die nötigen Fahrzeuge nicht mehr zur Verfügung stellen konnte. Bald darauf wurde dann das Kulturgut Militärmusik aus Geldmangel beinahe überhaupt abgeschafft, letztlich aber – vom damaligen Verteidigungsminister Doskozil 2016 nach Einberufung einer Expertengruppe unter Leitung eines Ex-Vorstandes der Wiener Philharmoniker – gerettet. Ein Ziel des damals vorgestellten Konzeptes war unter anderen die „Wiederherstellung der Spielfähigkeit“ der Militärmusik.

Mittlerweile geht es um die Wiederherstellung der Wehrfähigkeit, allerdings nicht nur in Österreich, sondern in ganz Europa. Doskozils Nachfolgerin Tanner hat vor kurzem in ihrer nassforschen Art die Teilnahme Österreichs an der soeben erfundenen „EU-Eingreiftruppe“ von 5000 Mann verkündet, was in Teilen der Republik umgehend zu Schnappatmung und Hyperventilation geführt hat. Verfassungsrechtler Mayer unkte gestern sogar in der ZIB 1, diese Beteiligung wäre „ein Vorwand, der die Russen veranlassen könnte, gegen Österreich auch kriegerische Aktionen zu setzen.“

So abstrus das klingen mag: Nennenswerte Gegenwehr wie in der Ukraine hätte Russland in Österreich jedenfalls weder durch die Armee noch die Bevölkerung zu befürchten. Das Bundesheer ist nach eigener Einschätzung „von der eigenständigen Fähigkeit zur Landesverteidigung dramatisch entfernt“, eine Umfrage unter Jugendlichen auf Ö3 heute früh ergab, dass ohnehin nur die wenigsten für ihre Heimat zur Waffe greifen würden. Bleibt eine Frage offen: Ist diese technische und geistige Wehrlosigkeit schlimmer oder die heraufdämmernde Erkenntnis, dass die Jugend angesichts der anhaltenden imponierenden Fehlleistungen und abstoßenden moralischen Verfehlungen der politischen Eliten in diesem Land völlig recht haben könnte?

Ösien, eine einzige Peinlichkeit.

(Foto: orf.at)

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