Wenn die neue Tourismusstrategie des Landes auf „südliche Gelassenheit“ setzt, ist das für hiesige Verhältnisse ein imponierender Akt der Selbsterkenntnis. Der „Schnittpunkt dreier Kulturen“, an dem sich Kärnten gerne nicht nur geographisch verortet und touristisch vermarktet, ist bei genauerer Betrachtung eher eine Schnittmenge, ein altmodisches Potpourri, auf neudeutsch ein melting pot: Über die Jahrtausende haben sich hier mit wenig Rücksicht auf gerade aktuelle Landesgrenzen und -zugehörigkeiten Menschen nordisch-alpiner, südlich-mediterraner und östlich-balkanischer Herkunft getroffen, manchmal getötet, meist gefunden und auch geliebt, im romantischen wie im praktischen Sinne – und das ist also dabei herausgekommen.
Dieser naturverbundene, ebenso bodenständige wie kunstsinnige Menschenschlag, der im Zweifel dem Bewährten den Vorzug gibt gegenüber dem Neuen, der dem Modernen erst nach einem Augenblick des Zögerns folgt, wird nun in seinem versteckten Paradies zwischen Tauern und Karawanken vom schlimmsten aller Schreckgespenste heimgesucht: Abgehaust, sagen die alten Bauern dazu, wenn der Hof unter den Hammer kommt. Und die schönen Kärntnerinnen und stolzen Kärntner reagieren darauf, wie es bei Katastrophen, die das Vorstellungsvermögen übersteigen, wohl nicht anders möglich ist: gar nicht.
Der Frühling ist mit Macht angebrochen, ein „Summa, haßa Summa“ in Sicht, da möchte man im Garten seinen g’spritzten Most genießen und sich nicht den Kopf über internationale Finanzhaie zerbrechen, die die Frechheit besitzen, ihr geliehenes Geld möglichst vollständig wieder zurückzubekommen. Am Horizont braut sich derweil maximales Ungemach zusammen – trotz zahlreicher Studien scheint niemand genau zu wissen, was im Falle einer Zahlungsunfähigkeit des Landes tatsächlich passiert, die Horrorszenarien haben Hochsaison: Sind dann auch die Rest-Landesanteile am Energieversorger Kelag weg – und damit das letzte Familiensilber? Müssen die Häuslbauer auf einen Schlag die Wohnbauförderung zurückzahlen? Verlieren tausende Beamte Job, Einkommen und Pension?
Die Landesregierung zeigt sich wie üblich betont volksnah und tut es ihren Bürgern im Ringen um Normalität gleich. Auszug aus der Terminübersicht des Landes von 18. bis 24. April: LH Kaiser empfängt Schüler anlässlich des absolvierten Auslandspraktikums, Finanzreferentin Schaunig eröffnet die Frühlingsmesse in Bleiburg, Landesrätin Prettner besucht die Gesundheitstage in St. Jakob, Wirtschaftslandesrat Benger feiert die Saisoneröffnung des Freilichtmuseums Maria Saal, Umweltlandesrat Holub wertet durch sein pure Teilnahme die Vollversammlung der Kärntner Bergwacht. Das ist jener grüne Politiker, der gleichzeitig Kärntens nobelste Gäste durch eine unnötige Debatte um Motorbootlizenzen verärgert, Grundeigentümer durch willkürlich ausgeweitete Natura-2000-Gebiete de facto enteignen will und seit Jahren – als Grüner! – kein einziges Windkraftprojekt in Kärnten zustande gebracht hat.
Sie alle stecken nach berühmte Kärntner Vogel-Straußnig-Methode den Kopf in den (Beach-Volleyball-)Sand und glauben, die ungeduldig werdenden Gläubiger könnten sie dann nicht sehen. In dieser Haltung riskiert man allerdings, kräftig und unvorbereitet in den Bürzel getreten zu werden.
Dieser Text ist erschienen im Mai 2016 in einer Beilage zu News, Profil und Trend.