Home

Der rotzfreche Grieche Alexis „Sorbas“ Tsipras und sein ausgebuffter Spieltheoretiker Yanis Varoufakis tanzen mit Juncker und Merkel den Sirtaki, dass den europäischen Weltenlenkern und Wolkenschiebern Hören und Sehen vergeht. Das Publikum, zumindest das nichtgriechische, tobt vor Begeisterung, die Medien überschlagen sich; jedes Detail, jede Äußerung, jedes Mienenspiel wird akribisch und unter Aufbietung immer windiger werdender Experten diskutiert, analysiert, psychiatriert. Bisheriges Highlight des Hypes: Theodoros Paraskevopoulos, als profunder deutschsprachiger Griechenland-, Syriza- und Tsipraserklärer Stargast in unzähligen Talkshows der vergangenen Wochen von Günther Jauch über Anne Will und Maybrit Illner bis zu Ingrid Thurnher, entpuppte sich mittlerweile als einfaches Syriza-Parteimitglied. Regierungsberater? Keine Spur. Eine große griechische Komödie mit Starbesetzung, und die europäische Elite aus Politik und Zentralbanken spielt die Rolle der bis zur Langeweile berechenbaren, hilflosen Statisten.

Aber der Euro, werden Sie jetzt sagen, und die Wirtschaft, und überhaupt! Ja, Ösien ist mit rund acht Milliarden Euro betroffen, wenn es in Griechenland schief geht. Aber oft hilft ein Blick in die Fakten, um in Zeiten geballter medialer Unvernunft Perspektiven und Dimensionen zurückzugewinnen: Griechenland trägt zur Wirtschaftsleistung der Welt derzeit etwa 0,3 Prozent bei, der Anteil am BIP der EU liegt bei unter zwei Prozent. Anders gesagt: Wenn die EU dieses Problem nicht lösen kann, dann gar keines.

Sorbas und Basil: Sie tanzten den Sirtaki bis in den Sonnenuntergang. Foto: dcrg.net

Sorbas und Basil: Sie tanzten den Sirtaki bis in den Sonnenuntergang. Foto: dcrg.net

Die totale Fokussierung der Medien und der öffentlichen Aufmerksamkeit hat aber auch etwas Gutes – zumindest für jene „Falken“, die währenddessen in aller Ruhe einen viel brisanteren Konflikt auf Betriebstemperatur bringen. Die USA scheinen wild entschlossen, mit ihren Partnern in der Nato den Druck auf Russland in der Ukraine-Krise zu verschärfen – die Cowboys reiten wieder, allerdings mitten in Europa: 250 US-Panzer und 1200 gepanzerte Fahrzeuge sollen „vorübergehend“ in Bulgarien, Estland, Deutschland, Lettland, Litauen, Polen und Rumänien stationiert werden. Deutschland hat erst vor wenigen Tagen angekündigt, das Raketenabwehrsystem Meads anzuschaffen – eine der teuersten Investitionsentscheidungen der gesamten Legislaturperiode.

Die russische Antwort kam postwendend: Passenderweise auf einer Militärmesse kündigte Präsident Putin an, das russische Atomarsenal noch in diesem Jahr um mehr als 40 Interkontinentalraketen aufstocken. Diese seien in der Lage, auch die technisch fortschrittlichsten Flugabwehrsysteme zu überwinden. Schon zuvor hatte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg erklärt, die Eingreiftruppe von derzeit 13.000 auf 30.000 bis 40.000 Soldaten mehr als zu verdoppeln.

Mit solchen Provokationen fangen Kriege an. Aber Europa lernt offenbar lieber Sirtaki, als mit dem russischen Bären den Kasatschok zu tanzen, um eine friedliche Lösung in der Ukraine zustande zu bringen.

Der Artikel ist erschienen in einer advantage-Beilage im Magazin News.

PS: Nach Abgabe des Artikels ist bekanntgeworden, dass auch heuer wieder zwei Manöver von Ukraine, NATO und USA unmittelbar vor der russischen Haustüre im Schwarzen Meer und in der Westukraine stattfinden. Ein falscher Knopfdruck, ein Computerfehler, und der „kalte Krieg“ war einmal kalt.

Hinterlasse einen Kommentar