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Was haben der gesellschaftliche Mittelstand und der sibirische Tiger gemeinsam? Beide sind akut vom Aussterben bedroht. Aber die Großkatze hat bessere Überlebenschancen, gibt es doch weltweit Menschen und Organisationen, die sich lautstark für sie einsetzen. Im Gegensatz dazu stirbt der Mittelstand heimlich, still und leise.

Ob das Aussterben der Mitte Ursache oder Folge der politischen Erosion einer der tragenden Parteien Ösiens in den vergangenen fast 70 Jahren ist, wird ein Rätsel der politischen Evolutionstheorie bleiben. Im Zweifel stützt man einander wechselseitig auf dem Weg in die Bedeutungslosigkeit: Die weltanschaulich, personell und ideell ausgeblutete Volkspartei hört auf, Heimat der bürgerlichen Menschen dieses Landes zu sein, und die angekränkelten Bürgerlichen werden von gesellschaftlichen Infektionskrankheiten dahingerafft. Dahinter steckt ein uralter, entschieden geglaubter Kampf zweier zutiefst gegensätzlicher Ideologien – und der Sozialismus ist drauf und dran, ihn doch noch zu gewinnen: Indem er die drei Säulen Eigentum, Familie und Religion[1], auf denen das Bürgertum seit Jahrhunderten ruht, mit der Abrissbirne attackiert – und die des Regierens müde Volkspartei assistiert vorsätzlich bis fahrlässig, anstatt ihre Kernwählerschichten zu schützen.

Der Traum vom Mercedes vor dem schmucken Eigenheim ist für die allermeisten ausgeträumt. Foto: www.fahrzeugbilder.de (Gilles Lenhard)

Der Traum vom Mercedes vor dem schmucken Eigenheim ist für die allermeisten ausgeträumt. Foto: http://www.fahrzeugbilder.de (Gilles Lenhard)

Bürgersäule Eigentum: Um Eigentum zu schaffen, sind gute Einkommen nötig, die nur eine gut funktionierende, stabile Wirtschaft bieten kann. Die früher stark als Wirtschaftspartei positionierte ÖVP hat es in den vergangenen Jahrzehnten allerdings nicht verstanden, dafür die Rahmenbedingungen abzusichern, im Gegenteil: Die ÖVP ist auf Bundesebene seit mehr als einem Vierteljahrhundert (Regierung Vranitzky II, angelobt am 21. Jänner 1987) in wichtigen Funktionen in der Bundesregierung vertreten. Auch wenn das der politische Preis für die Koalition mit der SPÖ war: Mit den ÖVP-Stimmen in Regierung und Parlament ist im vergangenen Vierteljahrhundert ein Bürokratie-, Steuer- und Abgabenmonster zum Leben erweckt worden, mit dem jeder Unternehmer in Österreich beinahe täglich um seine Existenz kämpfen muss, von Wettbewerbsfähigkeit ganz zu schweigen.

Dazu braucht man sich nur das Schwarzbuch der Wirtschaftskammer Kärnten (wko.at/ktn/buerokratiestopp) anzuschauen: Ein zum Teil sogar widersprüchliches Sammelsurium von Unternehmerbehinderungs- und Erfolgserschwernisregelungen zur freien Anwendung durch öffentlich Bedienstete, die zu einem großen Teil glauben, ihr – im Vergleich mit anderen Bundesländern übrigens fürstliches – Gehalt kommt vom Staat wie der Strom aus der Steckdose. Die unselige Debatte um das Budgetloch, die Konkursverschleppung der Hypo durch mehrere ÖVP-Finanzminister, die Aufregung um GmbH Neu und Einschränkungen beim Gewinnfreibetrag – praktizierte Wirtschaftskompetenz schaut anders aus. Und dieser Eindruck wird auch nicht besser, wenn Innenministerin Mikl-Leitner (wir erinnern uns: „Her mit dem Zaster! Her mit der Marie!“) nun eine sechste Urlaubswoche fordert, die die heimische Wirtschaft hunderte Millionen Euro kosten würde.

Das Eigentum einer Handvoll Superreicher durch die strikte Ablehnung von Vermögenssteuern zu verteidigen und gleichzeitig den Mittelstand mit horrenden Abgabenquoten auszusackeln, wird da auch nicht mehr helfen. Die Welt, Dezember 2012: „Wenn es [der Linken, Anm.] gelingt, in der Mitte Sehnsucht nach einem größeren Sozialstaat zu erwecken, dann gibt eine politische Mehrheit für einen sozialpopulistischen Kurs. In Wirklichkeit jedoch profitiert die Mittelschicht am meisten, wenn der Staat solide wirtschaftet und somit Entlastungen bei Steuern und Abgaben möglich sind.“ Offenbar hat „Die Welt“ im ÖVP-Vorstand keine hohe Reichweite.

Bürgersäule Familie: Hier verorten die Linken die Brutstätte jener verwerflichen Sekundärtugenden, die den Predigern der marxistischen Gleichheitsreligion ein Balken im Auge sind. Fleiß, Pünktlichkeit, Gründlichkeit, Pflichtbewusstsein, Anstand, Ordnungsliebe, Eigenverantwortung, Bildungsfreude – alle diese Eigenschaften führen notwendigerweise zur Ungleichheit. Wer sie hat und einsetzt, wird im Leben erfolgreicher sein als andere, die drauf pfeifen und auf die Tragfähigkeit der sozialen Hängematte vertrauen. Während die Familie für das Bürgertum Lebensmittelpunkt und Keimzelle des Staates ist, versucht die vereinte Linke, mit möglichst früh einsetzender Krabbelstube, Kindergartenpflicht, Ganztagsschule, der vollständigen Integration der Frau in die Arbeitswelt inklusive Verächtlichmachung des Modells Hausfrau, der Ausreizung des Gender-Themas bis hin zu der von Ministerin Heinisch-Hosek offen propagierten „Homo-Ehe“ die Familie – bestehend aus Mann, Frau und Kind(ern) – als bisher mit Abstand erfolgreichstes Lebenskonzept in der Geschichte der Menschheit kleinzukriegen.

Die Spitze des vermeintlichen Fortschritts bilden jene – meist in Form von Uniprofessuren öffentlich bezahlten – Gesellschaftsreformatoren, die das biologische Geschlecht (also die Trennung in Männlein und Weiblein) ablehnen und als „soziales Konstrukt“ betrachten: Jeder kann sich quasi das Geschlecht aussuchen, das ihm am ehesten zusagt. Das führt dann realpolitisch zu Absurditäten wie einem Beschluss des Berliner Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg, wo nun zusätzlich „Unisex-Toiletten“ für Intersexuelle und Transsexuelle aufgestellt werden. „Existieren nur nach Männern und Frauen getrennte Toiletten, so benachteiligt dies Menschen, die sich entweder keinem dieser beiden Geschlechter zuordnen können oder wollen oder aber einem Geschlecht, das sichtbar nicht ihrem biologischen Geschlecht entspricht“, heißt es im Beschluss.

Und was tut die ÖVP: Sie will auch so modern und tolerant sein, wie es die anderen Linksparteien samt Schreckensvision NEOS schon sind, und fordert nun die Verpartnerung am Standesamt und die Möglichkeit eines „Familiennamens“ für gleichgeschlechtliche Paare. Familienministerin Karmasin ortet gar – ganz im Stile der politischen Korrektheit – eine „starke Diskriminierung“: „Letztendlich geht es da nicht nur um die Namensfrage, da geht es sehr stark um die Frage: Sind homosexuelle Paare eine Familie oder nicht?“

Die werden viele traditionelle Familien ebenso mit Nein beantworten wie die Frage, ob man als Bürgerlicher noch die ÖVP wählen kann. Bleibt nur der Glaube daran, dass der neue Kärntner ÖVP-Obmann Christian Benger die Kraft und Beharrlichkeit hat, seiner gebeutelten Partei wieder Richtung und Inhalt zu geben. Seine ersten Positionsangaben (im ORF-„Report“) machen verhalten Hoffnung: „Wir sind hier eine christliche Partei, wir stehen für Eigentum und Geradlinigkeit.“ Zusatz: „Einige dieser Punkte sind in letzter Zeit in Misskredit geraten. Meinen Weg – ich will ihn grade gehen.“

Das hat man von einem ÖVP-Politiker schon lange nicht mehr gehört.

[1] Das ist eine andere Geschichte.

Dieser Artikel ist erschienen im Wirtschaftsmagazin Advantage, Mai 2014 (www.advantage.at).

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