Was ist ein Dietrich gegen eine Aktie? Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?, fragte einst provokant Bert Brecht, die Zuchtrute des bürgerlichen Establishments. Zumindest in Sachen Bank ist die Sache mittlerweile klar: Wer einen Bankraub begeht, ist ein Schwerverbrecher, wer mit der Bank einen Volksraub verübt, ein Kapital-Verbrecher. Der Gangster kommt ins Zuchthaus, der Bankster geht ins Freudenhaus, so ist die Welt halt aufgestellt.
Oder doch nicht? Kürzlich hat der Oberste Gerichtshof die erstinstanzlichen Haftstrafen für Hypo-Chef Wolfgang Kulterer (dreieinhalb Jahre), seinen Stellvertreter Günter Striedinger (vier Jahre), Rechtsanwalt Gerhard Kucher (vier Jahre) und Steuerberater Hermann Gabriel (viereinhalb Jahre) wegen eines illegalen Vorzugsaktiendeals aus dem Jahr 2004 bestätigt. Viele sehen das Urteil als gerechte Strafe für den enormen Skandal rund um den Hypo-Verkauf an die Bayerische Landesbank – dabei hat das Liechtensteiner Geldkarussell damit gar nichts zu tun.
Die damalige Landesbankenspitze samt Topjurist und Promi-Steuerberater wird also in absehbarer Zeit tatsächlich und ausgiebig einsitzen – und Kärnten damit wieder einmal zum Sonderfall machen. Tief verschuldet sind auch einige andere Bundesländer, aber eine notverstaatlichte Landesbank gibt es nur im wilden Süden. Um genau diese Notverstaatlichung wird es in den kommenden Wochen und Monaten noch viele Diskussionen geben, waren es doch die vielen Milliarden an unverantwortlichen Landeshaftungen, die ein rasches Eingreifen der Republik nötig gemacht haben – so lautet zumindest die offizielle ösische Sprachregelung. In einer APA-OTS-Aussendung vom 12. Juni „unter ausschließlicher inhaltlicher Verantwortung des Aussenders“ liest sich das so: „Fekter hob hervor, dass die Verstaatlichung der Hypo Alpe Adria im Dezember 2009 zum Schutz der österreichischen Volkswirtschaft gewesen sei. Bei einem Scheitern der Bemühungen der Republik wäre sofort die 20 Milliarden Euro umfassende Kärntner Landeshaftung schlagend geworden und dem Steuerzahler zur Last gelegt worden. Auch für die Europäische Gemeinschaft sei ein Auffangen der Hypo Alpe Adria von entscheidender Bedeutung – so haben sich der damalige EZB-Präsident Trichet sowie der damalige Währungskommissar Almunia persönlich für eine Rettung der Bank eingesetzt.“
Fekters Vorgänger als Finanzminister, Josef Pröll, war es also, der selbstlos und mutig die Gefahr erkannte, in die liederliche Landespolitiker in provinzieller Ahnungslosigkeit ihr Bundesland gebracht hatten – und Kärnten rettete, koste es den Steuerzahler, was es wolle. Und das war viel und wird immer mehr.
Schade nur, dass die Zweifel an dieser hehren Deutung der jüngeren Kärntner Wirtschaftsgeschichte immer lauter werden. Die zentrale Figur der „Hypotrophie“, also des letztlich verhängnisvollen Expansionskurses auf dem Balkan, Wolfgang Kulterer, stellte kürzlich im Interview mit NEWS klar: „Und die größte Lüge der Zweiten Republik ist überhaupt, dass man die Verstaatlichung mit den Landeshaftungen rechtfertigt (…) Die Landeshaftung ist eine Ausfallsbürgschaft – und eine solche wirkt erst, wenn der Eigentümer (die BayernLB, Anm.) nicht zahlen kann und erst nachdem sämtliche Werte verkauft wurden (…) Gezahlt hätte damit der bayerische Staat und nicht der österreichische Steuerzahler (…) Kein Mensch versteht daher, warum man verstaatlicht hat.“
Selbstschutz-Phantasien eines Gestrauchelten? Rundumschläge eines künftigen Knastbruders? Das wäre möglich, wenn nicht wenige Seiten später der über viele Zweifel erhabene Unternehmer, Sanierer und Hypo-Aufsichtsratspräsident Herbert Liaunig bestätigen würde: „Das Argument der Landeshaftungen hat überhaupt nie gegriffen. Denn die Haftungen des Landes waren Ausfallshaftungen. Das heißt, hätte man den Bayern die Bank belassen und es wären Haftungen schlagend geworden, dann hätten sie zuerst die Bayern getroffen.“
Das führt nun zur Milliarden-Euro-Gretchenfrage: Wer wäre bei einer Insolvenz der Hypo Alpe Adria Group zuerst zum Handkuss gekommen – der Eigentümer BayernLB oder das für Ausfälle in Milliardenhöhe haftende Land Kärnten? Noch einmal Brecht: Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen den Vorhang zu und alle Fragen offen.
Dieser Artikel ist erschienen im Wirtschaftsmagazin advantage, Ausgabe Juli/August 2013.