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Unbemerkt hat sich eine tödliche Krankheit in den Organismus unserer Gesellschaft eingeschlichen. So wie der Frosch, der bei Berührung mit heißem Wasser sofort davonspringt, aber bei allmählicher Temperaturerhöhung im Wasser verharrt, bis er stirbt – ich verlasse mich aufs Hörensagen, beim Verfassen dieses Artikels sind jedenfalls keine Frösche zu Schaden gekommen -, ergeht es auch den Menschen: Die plötzliche Konfrontation mit der gesellschaftlichen Veränderung würde Protestreflexe auslösen; die metastasierende Zerstörung aber wuchert langsam im verborgenen. Spürt man sie, ist es zu spät.

Ohne jeden Anspruch auf Vollständigkeit sowie zeitliche oder kausale Ordnung schildere ich einige befremdliche, irritierende, erschütternde Momentaufnahmen der vergangenen Wochen, zur beliebigen persönlichen Entnahme.

Deutschlands Staatsoberhaupt Christian Wulff ist unter dem Verdacht der unerlaubten Vorteilsnahme endlich zurückgetreten. Die Vorwürfe – er habe sich einen günstigen Kredit verschafft, seine Frau einen billigen Leasingvertrag bekommen, gemeinsam habe man sich auf Luxusurlaube einladen lassen – wiegen vielleicht nicht besonders schwer, können möglicherweise sogar aufgeklärt werden; dennoch wären alle seine reputablen Vorgänger in diesem Amt schon beim leisesten Schatten solcher Machenschaften gegangen. Wulff hingegen fordert nach ein paar Monaten Präsident schon ein Salär auf Lebenszeit samt Büro und Mitarbeitern. Der Typus untadeliger Staatsmann ist also kein Auslaufmodell, sondern längst nicht mehr im demokratischen Angebot.

„Woran es liegt, dass sich der Einzelne nicht wohlfühlt, obwohl es uns allen so gut geht.“

Towje Kleiner, unvergessen als Chaot Maximilian Glanz in der 1979 erstmals ausgestrahlten Fernsehserie „Der ganz normale Wahnsinn“, starb Anfang Dezember vergangenen Jahres mit 63 Jahren.

Ein paar Etagen drunter: ein Untersuchungsausschuss des ösischen Parlaments zu den Korruptionsaffären, die wie die Lawinen von Galtür über die beschauliche, vermeintlich korrekte Alpenrepublik hereingebrochen sind. Die Sekretärin eines schwer verdächtigen Ex-Ministers kommt der Ladung nicht nach, sie sei beruflich verhindert. Der somit an der Terminplanung einer Sekretärin gescheiterte U-Ausschuss gibt sich nach den ersten Sitzungstagen etwas enttäuscht: Keiner der Beschuldigten hat auf Befragen Schmiergeldzahlungen zugegeben. Na sowas. Wenn da nicht ein Aufdeckungsjournalist das brisante Material liefern würde, wäre der Ausschuss schon Ausschuss.

In der neuen Staffel der ORF-Sendung „Dancing Stars“ zeigt eine bekannte Pornodarstellerin nach Jahrzehnten in der ungenierten horizontalen TV-Präsenz nun ihre zweifelhaften Qualitäten in der Vertikalen im ösischen Hauptabendprogramm. Für den tapferen Niki Lauda ist das „unter jeder Würde“ und der ORF am Ende. Programmdirektorin Kathrin Zechner kontert – öffentlich und gesellschaftlich unwidersprochen –, diese Kritik sei „ein derartiger Topfen“, die Pornoqueen „eine respektable Frau“. Lauda hatte schon die „schwule Tanznummer“ von Alfons Haider im vergangenen Jahr beim Namen genannt und war damit ins Kreuzfeuer der verkommenen Life-Ball-Society geraten – ohne allerdings die geringste Schützenhilfe der konservativen Kreise Ösiens zu erhalten. Kein Wunder: Schließlich ist auch schon eine schweinsbratenaffine ÖVP-Ministerin über den schrillen Laufsteg gekullert.

Griechenland braucht schon wieder 145 Milliarden Euro (rund zwei Billionen oder 1.995.243.500.000 ösische Schilling) vom Rest Europas, sonst ist die Pleite perfekt, vielleicht krachts aber auch so. Wenn allerdings die deutsche Kanzlerin einen Finanzkommissar fordert, um die ordnungsgemäße Mittelverwendung und den Reformfortschritt zu überwachen, erntet sie nicht nur im Club Med empörte Entrüstung. Wo kämen wir denn da hin, wenn ein Geldgeber auch noch wissen möchte, was mit seinem Geld geschieht? Bei Privatpersonen oder Firmen ist das selbstverständlich anders, da darf man für den Kleinkredit schon die Bilder von der Darmspiegelung mitbringen. Dabei ist Griechenland der europäischen Währungsunion nach Ansicht namhafter Juristen gar nicht rechtskräftig beigetreten: Weil die Hellenen nämlich schon bei den Maastricht-Kriterien belogen und betrogen haben, dass sich die Säulen der Akropolis biegen. Bis heute wurde übrigens kein griechischer Politiker für dieses Verbrechen an Europa zur Verantwortung und sein gesamtes Vermögen eingezogen.

Das blieb bis heute auch all jenen Top-Bankstern erspart, die der Weltwirtschaft mit miesester Zocker-Mentalität und geisteskranken Finanzprodukten die schlimmste Katastrophe seit 1929 eingebrockt haben. Sie wurden lediglich mit Millionenabfertigungen nachhause geschickt und schauen jetzt von den Panoramaterrassen ihrer Traumvillen aus ungerührt und ungestört zu, wie ganze Generationen den Dreck aufräumen können, den sie in ihrer unersättlichen Gier hinterlassen haben.

Doch nun keimt Hoffnung: Die BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) sollen Europa bei der Sanierung seiner Schuldenprobleme helfen – allen Ernstes. Wann der finale Crash kommt? „Shortly, without von delay!“ (© Bundesfinanzministerin Maria Fekter, siehe http://bit.ly/oQWpHH).

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