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Dabei hatte der Tag für Geros Dorfkolos so gut begonnen: In fürstlicher Manier verteilte der Kalif von Karinthos, dem Peloponnes Ösiens, schon nach dem Frühstück 100-Euro-Scheine an die zahllosen Armen auf den Straßen und nahm ein morgendliches Bad in der mittellosen Menge. Danach rief er seinen Leibarchitekten zu sich, um die Pläne für das Karawankenon, die größte Eishalle südlich der Alpen, zu besprechen.

Der Hinweis des verzweifelt dreinblickenden Sekretärs, dass es im ganzen Land kein Geld mehr gäbe für zweifelsohne bedeutende politische Monumentalbauten, verdüsterte Dorfkolos‘ Stimmung augenblicklich. Die nötigen Millionen aus dem Staatssäckel würde er schon auftreiben, notfalls müssten eben Kindergärten zugesperrt, Obdachlose ausquartiert und die Alten zur Kasse gebeten werden. Große Errungenschaften hatten schon immer ihre Opfer gefordert. Und niemand konnte ihm vorwerfen, nicht alle Einsparungsmöglichkeiten in seinem Hofstaat genutzt zu haben: Sogar das Kaffeekochen und Handy-Aufladen in den öffentlichen Krankenhäusern hatte er dem Personal verboten. Aber in seiner Regierung und bei seinen Freunden im Landesparlament zu sparen – nein, das konnte niemand von ihm verlangen; das hieße, die Säulen der Demokratie in Karinthos ins Wanken zu bringen. Den Sekretär, der ihn vor der Staatspleite gewarnt hatte, ließ er in guter Tradition – wie hieß noch dieser geschichtsträchtige Ort? Triathlon oder so ähnlich – kurzerhand köpfen.

Natürlich könnte er auch noch die landeseigene Bank verkaufen. Oder nein, die war ja schon weg. Übrig waren aber immerhin noch 21 Milliarden Euro an Landeshaftungen. Welch ein Vermögen, dachte Dorfkolos, wir werden darum Bäder, Eishallen, Straßen, den Hafen von Pöräus am Wörthersee und eine U-Bahn in der Landeshauptstadt am Kanal von Klagenth bauen, damit dieses elende Gejammere um die Straßenbahn endlich aufhört. Vielleicht sollte man die Haftungen aber auch noch behalten, bei der hervorragenden Konjunktur würden sie sich sicher satte Renditen abwerfen, vor allem nächstes Jahr.

Dann müssten eben die schönen Seen verscherbelt werden. Doch halt, die hatte man so teuer gekauft, dass sie sich ohne schmerzhaften Verlust wohl nicht wieder losschlagen ließen. Besonders auf den Wörthossee war Dorfkolos stolz, und auf seinen Parteikollegen Skorianzis, der die wundervolle Idee gehabt hatte, mit der Abkühlung des Sees durch die Heizung für das neue Hallenbad einen Beitrag gegen die Erderwärmung zu leisten. Er beschloss, Skorianzis zum nächsten Umweltminister zu ernennen und damit ein Signal für die innovativen politischen Geister in seiner Freiheitspartei zu setzen. Doch auch als Nachfolger für Bildungsminister Scheichos käme er in Frage – falls sich die Gerichte wirklich trauen sollten, diesen einzusperren.

Da kam Dorfkolos die rettende Idee: Das Stadion. Wenn man die unteren Ränge mit Folie abdecken und das so entstehende Becken auffüllen würde, entstünde ein Bad olympischen Ausmaßes, das obendrein im Winter als größte Eishockey-Arena Europas genutzt werden könnte. Vor Dorfkolos‘ innerem Auge liefen Bilder von Sportereignissen bislang ungeahnter Größenordnung ab: Schwimmbewerbe über 100, ja 200 Meter ohne Wende; Eishockey-Weltmeisterschaften, bei denen sämtliche Viertel-, Semi- und Finalspiele gleichzeitig ausgetragen werden konnten. Zufrieden lehnte sich Dorfkolos zurück – das waren Dimensionen, eines Kalifen von Karinthos würdig.

Entspannt und voller Zuversicht unterschrieb er rasch ein paar Aufnahmegesuche von lästigen Bittstellern in den Landesdienst – Blinde hatte er schließlich schon genug in seiner Partei –, die Steuerbefreiungsbescheide auf Lebenszeit für verdiente Spender würde er am Nachmittag abzeichnen. Jetzt musste er zum Mittagessen mit einigen Beamten des ösischen Finanzministeriums. Er freute sich schon auf ihre Mienen, wenn er ihnen eröffnen würde, welche Erfolge seine Regierung in der Budgetsanierung errungen hatte: Nur 140 Millionen Euro neue Schulden würde Karinthos im nächsten Jahr machen, beinahe könnte man von einem Nulldefizit sprechen. Beim Gedanken an eine original-griechische Brennnessel-soupa lief Dorfkolos das Wasser im Mund zusammen.

Das würde ein Kirtaki werden!

Ein Kommentar zu “Wir Griechen

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