Stellen wir auf Anfang: Es war einmal ein Dorf – zur Abwechslung kein gallisches –und mit der Zahl der Köpfe wuchsen nicht nur die Probleme, sondern auch der kollektive Verstand. Irgendwann erkannten die Bürger, dass gewisse Aufgaben besser zentral zu erledigen wären als von jedem Einzelnen: Verhandlungen mit potentiellen Plünderern, Straßenbau (nein, das ist nicht dasselbe), Wasserversorgung, später Müllabfuhr, Kanal, Kläranlagen und Fernwärme, Kinder-, Alten- und dazwischen Gesundheitsversorgung, bis hin zur Gesetzgebung und Gerichtsbarkeit. Dazu wählte das Dorf einen soliden Bürgermeister, der sollte nach bestem Wissen und Gewissen die Gemeinschaftsaufgaben unter der strengen Aufsicht des Volkes erledigen und wurde dafür von allen gemeinsam durchgefüttert. Ein neuer, anfänglich ehrenwerter Berufsstand war geboren: der Politiker.
Was so märchenhaft begann, hat sich mittlerweile in fast allen zivilisierten Ländern zu einem Alptraum ausgewachsen. Kaum entstanden, vermehrten sich die Politiker wie Gremlins unter der Dusche; Legionen, Kohorten, Manipeln und Centurien vom Gemeindeparteiobmann bis zum Bundespräsidenten haben sich seitdem in unseren Gesellschaften eingenistet und unter Schmerzen – nämlich unseren – Heerscharen von öffentlich Bediensteten und einen undurchdringlichen Dschungel an öffentlichen Vereinen, Institutionen und Firmen geboren. In Summe kostet dieses größenwahnsinnig gewordene politische System jede erfolgreiche Ösierin und jeden schönen Ösier mehr als 40 Prozent ihres bzw. seines Einkommens: Bis 28. Juli haben sie heuer nur für einen wild wuchernden Staatsapparat gearbeitet.
Denn von den ehemals eisernen Grundsätzen der k.u.k.-Beamtenschaft wie der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit ist der Politiker 2.0 so weit entfernt wie das i-Phone von der Brieftaube. Der rechtschaffene, um das Gemeinwohl bemühte Dorfbürgermeister ist zum gierigen Kommunalparasiten mutiert, getrieben vom Druck der Wiederwahl, gehetzt von Meinungsumfragen, gejagt von Medienvertretern und gestellt auf der grell ausgeleuchteten Bühne der Eitelkeiten, auf der auch das kleinste Privatleben eine große Rolle spielt. Da sind keine Vaterfiguren vom Format eines Raab (Julius, nicht Stefan!) und Adenauer mehr, denen man bedenkenlos sein Schicksal anvertrauen könnte im Wissen um ihre unumstößliche moralische Integrität und ihr ehrliches Schaffen für ein besseres Leben der Bürgerinnen und Bürger; an ihrer Stelle haben sich ganze Horden von selbstverliebten Politik-Darstellern der Politik bemächtigt, ohne Gemeinsinn, häufig für ihr Amt fachlich und persönlich minderqualifiziert, dazu oft ökonomisch abhängig und charakterlich volatil bis zur Selbstverleugnung.
Die Folge: Kaum ein politisches Handlungsfeld, das nicht lichterloh in Flammen steht. Das Gesundheitssystem verschlingt Milliarden, die keinem Patienten zugute kommen; der Bildungssektor zwischen Uralt-Schulformen, Uni-Niedergang und den Beharrungsweltmeistern der Lehrergewerkschaft ist ein offenbar unlöschbarer Brandherd; die ohnehin kaum mehr existente Landesverteidigung wird endgültig zur Lachnummer; die Mitverursacher der Finanz- und Wirtschaftskrise sind nicht nur immer noch auf freiem Fuß, sondern auch immer noch bestens bei Kasse; ein unsäglich missbrauchter Föderalismus bremst und kostet gleichzeitig; und auf die beängstigende demografische Entwicklung und ihre Auswirkungen auf das staatliche Pensionssystem in 20 oder 30 Jahren haben die Politiker überhaupt keine Antworten; ja noch nicht einmal ein fristgerecht vorgelegtes Budget für 2011.
Als wäre diese Schreckensbilanz nicht genug, verplempern unfähige Politiker und die von ihnen eingesetzten Managergünstlinge ungestraft weitere Millionen und Milliarden des Steuerzahlers: Bei der Hypobank in Kakanig, bei irren Veranlagungsabenteuern der ÖBB oder der Wohnbauförderung in Niederösien, beim Skylink am Flughafen der Bundeshauptstadt , bei Millionengagen für unnütze Verstaatlichtenchefs und dubiose Berater von der Buwog über die ÖBB bis zur Telekom – ernsthaft zur Verantwortung gezogen wird dafür niemand, von Schadenersatz für den Steuerzahler ganz zu schweigen. Und trotz einer Abgabenquote, die den Tatbestand des öffentlich legitimierten Diebstahls erfüllt, und der grob fahrlässigen Massenvernichtung öffentlicher Mittel trauen sich Politiker, das Reizwort von den „neuen Steuern“ für die ohnehin Bestohlenen in den Mund zu nehmen.
Das Volk hat die Kontrolle über die von ihm Gewählten verloren. Auch bei der Wahl hat der Bürger keine Wahl. Der Dorfbürgermeister ist tot, seine Erben verjuxen die Werte der Vergangenheit, materielle wie moralische. Das ist das Ende der Politiker – und vielleicht sogar der Politik.