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September 2009 – Um ein beliebtes Killer-Argument gleich von vornherein weiträumig zu umschiffen: Ja, die Leistung der Aufbaugeneration nach dem Krieg war grandios, auch wenn sie großteils identisch ist mit jener, die Europa und andere Teile der Welt zuvor in Schutt und Asche gelegt haben. Ösien hat sich jedenfalls vom belächelten Überbleibsel des Völkerkerkers im Jahr 1918 bis zum Ende des 20. Jahrhunderts zu einem der reichsten Länder der Welt entwickelt. Und ein fetter Bauch regiert nicht nur ungern (nachzulesen bei Hans Herbert von Arnim, 1997), er protestiert auch wenig und revoltiert gar nicht. 

Nicht für die Schüler, für uns selber lehren wir. Nicht einmal, wenn er liest, dass Ösiens Lehrer in der Pension mehr Geld verdienen – richtiger: bekommen – als im Job. „…so haben Lehrer in Diensten des Bundes durchschnittlich ein Einkommen von 3.419 Euro monatlich – der pensionierte Lehrer aber noch 100 Euro mehr, nämlich 3.519 Euro.“ (Quelle: Der Standard, unter Berufung auf das Personaljahrbuch des Bundes). Die Pensionsanwartschaft, also das eigentliche Berufsleben, wird Lehrern übrigens durch rund 15 Wochen bezahlten Urlaub im Jahr erleichtert. Dessen ungeachtet haben sie sich soeben erfolgreich gegen die unverschämte Forderung nach zwei Stunden mehr Unterrichtsverpflichtung pro Woche (bei gleichbleibender Wochenarbeitszeit) gewehrt. Konsequenzen: Keine.

Vickers_Viscount

Verflogen: Am 31. März 1958 startete eine Vickers Viscount 779 der soeben gegründeten Austrian Airlines den kommerziellen Linienflug von Wien nach London. Seit 3. September 2009 gehört die AUA der Lufthansa. Foto: http://www.lifepr.de

Alpen-Idyll. Offenbar glaubt sich Ösien nach wie vor im zarten Schmelz der Sisi-Filme gefangen, und auf dem Thron sitzt der gütige Förster vom Silberwald und wacht bei Walzerklängen über das Wohl seiner fröhlichen Untertanen. Doch die Zeiten immerwährender Erntedankfeste sind vorüber: Wenn Politik und Eliten munter weitermachen und das Volk satt weiterschweigt wie in der jüngeren Vergangenheit, werden sie alle bemerken, dass es ein Abo auf Wohlstand ebenso wenig gibt wie die gesellschaftliche Vollkasko-Versicherung, frei nach dem Motto: Egal, wie blöd wir uns anstellen – irgendwer anderer wird’s schon richten.

Absturz. Denn nur unter dieser Grundannahme lässt sich erklären, warum nicht schon lange zu Recht aufgebrachte Massen durch die Straßen ziehen und das eine oder andere öffentliche Gebäude umgestalten. Da wird die ösische Traditionsfluglinie „Oesian Airlines“ mit Nachbrenner gegen den Berg geflogen, und der zuständige Bruchpilot bekommt dafür auch noch mehr als eine Million Euro Abfertigung. Die Politik nennt den Wegwurf dieses Unternehmens beschönigend „Verkauf“, obwohl man noch 500 Millionen Euro Steuergeld drauflegen musste, damit die Lufthansa die schäbigen Reste der ehemals stolzen „OS“ gnädig unter ihre Fittiche nahm. Konsequenzen: keine.

Bruchlandung. Am Heimatflughafen VIE klafft gleich das nächste Millionengrab: Die Projektkosten und die Bauzeit des neuen Skylink haben sich mehr als verdoppelt, statt 400 Millionen wird der neue Terminal rund eine Milliarde kosten und drei Jahre zu spät fertig. Vorstand und Aufsichtsrat waschen ihre Hände in Fässern voller Unschuld, der Projektverantwortliche wurde gefeuert. Er bekommt aber statt einer Schadenersatzklage sein fünfstelliges Monatsgehalt bis Ende September weiter, inklusive Dienstwagen. Sonstige Konsequenzen: keine.

Pleiten, Pech und Pannenweste. Aber warum soll man sich darüber auch aufregen, etwa in Kakanig, dem wilden Süden Ösiens? Hier wurde sogar dem ersten Mann im Land die politische Zurechnungsfähigkeit staatsanwaltschaftlich aberkannt. Konsequenzen: Wie bitte? Wobei der Umstand, dass der Strafunmündige gern und oft Pannenwesten überzieht, auf eine besondere Art der Einsicht hindeuten könnte. In jedem Fall entwickelt die ursprünglich industriell geprägte Zeile vom „Land der Hämmer“ in der ösischen Nationalhymne angesichts des allgemeinen Politikversagens und seiner Folgenlosigkeit auf allen Ebenen eine ganz neue Bedeutung.

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