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Win, Dezember 2009 – „Dies Ösien ist eine kleine Welt, in der die große ihre Probe hält“, reimte schon vor mehr als 150 Jahren der deutsche, in Win verstorbene Dichter Friedrich Hebbel. Damals war Ösien allerdings noch eine kaiserliche und königliche Weltmacht, nach Russland das größte Herrschaftsgebiet Mittel- und Südosteuropas. „A.E.I.O.U.“ lautete der Wahlspruch der stolzen Habsburger: Alles Erdreich ist Ösien untertan.

Die Interpretation „Am End‘ ist ollas umasunst“ dürfte heute eher zutreffen. Seit einigen Tagen hat Ösien nicht einmal mehr eine eigene Fluglinie: Wirtschaftliche Inkompetenz, über Jahrzehnte gedeckt von einer ebenso ahnungslosen Politik, hat dazu geführt, dass die Republik Ösien ihre einst stolze Fluglinie OA (Oesian Airlines) knapp nach ihrem 50. Geburtstag an eine deutsche Firma verschenken muss. Genau genommen stimmt das gar nicht, weil der ösische Steuerzahler noch 500 Millionen Euro drauflegen darf, sonst wäre die verhärmte Braut gar nicht an den Mann zu bringen. Der  offizielle Kaufpreis von 366.000 Euro deckt vielleicht die Rechtsanwaltskosten des Deals. In der Abwicklung undurchsichtig, zum völlig falschen Zeitpunkt, mit vielen Fragezeichen versehen: Privatisierung auf ösisch.

Dies sei der wichtigste Tag seit der OA-Gründung, jubelte der Chef der Verstaatlichten-Holding – eine zweifelsohne risikolose Einschätzung, war es doch der letzte Tag als ösisches Unternehmen. Die Verkäufer und die neuen Eigentümer überschlagen in sich in doppelbödigen Aussagen, die nicht allzu konkret ausfallen, aber die soeben verkaufte Belegschaft beruhigen sollen. Das dürfte bei einem prognostizierten Jahresverlust 2008 von bis zu einer halben Milliarde Euro wohl nur schwer gelingen. „Im Moment“ sei kein Personalabbau vorgesehen, meinte der neue OA-Chef, gebürtiger Oberösier, wolkig; „in Kernbereichen“ werde die OA eine „weitgehende Selbstständigkeit“ behalten. Der bisherige OA-Überflieger und Vorstandschef pflegt derweil das Motto never change a winning team: Im Frühjahr hatte er beim 50. Geburtstag der Fluglinie noch vollmundig behauptet, die OA sei saniert und gut aufgestellt; ein halbes Jahr später ist die OA pleite und verscherbelt.

Das stellt für Steher wie ihn aber nicht den geringsten Grund dar, die eigene berufliche Zukunft grundlegend zu überdenken, Totalschaden hin oder. Vielleicht ist es ja auch irgendwem eine schöne Provision wert, dass die OA samt ihrem gut ausgebauten Oststreckennetz so günstig zu haben war. „Denn soll’s noch einmal auf der Erde tagen, so muss das Herz Europas wieder schlagen!„, dichtete Hebbel weiter. Wenn dort auch so professionell gearbeitet wird, dann gute Nacht.

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