Win, im Feber 2007. Immer mehr klugen Ösierinnen und schönen Ösiern verschlägt es die Sprache: Deutsch − Muttersprache der (meisten) Ösier und literarischer Kunstgegenstand von Jandl bis Jelinek − verschwindet schleichend aus dem Kommunikationsalltag. Die Sprache der Dichter und Denker wird ersetzt durch ein deutsch-englisches Kauderwelsch namens „Denglisch“ oder „Engleutsch“, das nicht nur im Jugendjargon krebsartig wuchert, sondern mittlerweile in alle Gesellschaftsschichten metastasiert hat.
Dies ist umso dramatischer, als die meisten Ösier aufgrund ausgeprägter, regionaltypischer Dialekte der deutschen Hochsprache ohnehin nur mangelhaft (und des Englischen so gut wie gar nicht) mächtig sind, was besonders bei zwei ebenso mitgliederstarken wie erfolgsschwachen ösischen Berufsgruppen in Fernsehinterviews zum Ausdruck kommt: bei Fußballern und Politikern. Zu gerichtlichen Schritten wegen Verhöhnung des Artikels 8 der ösischen Verfassung − „Die deutsche Sprache ist … die Staatssprache der Republik.“ − konnte sich aber noch kein Wahrer des Rechtsstaates aufraffen; wahrscheinlich glauben die Politiker großteils selbst, dass „flatrate“ ein überfahrenes Nagetier ist.
Anders in Frankreich, wo ein Gesetz die Verbreitung des unerwünschten „Franglais“ unterbindet: Experten schieben verbale Einwanderer gnadenlos ab und übertragen englische Fachausdrücke, wenn nötig, sogar ins Französische. Deshalb heißt der hierzulande gängige „Computer“ dort auch immer noch „ordinateur“, also „Rechner“. Und tagsüber müssen mindestens 40 Prozent der im Radio gespielten Lieder einen französischen Text aufweisen. In Ösien hingegen hat der staatliche Rundfunk jahrelang deutsch gesungene Musik aus dem populärsten Radiosender Ösien3 verbannt.
Insgesamt gibt es weltweit in etwa 120 Staaten Schutzbestimmungen für die eigene Sprache. Ösien hat diesbezüglich nicht nur kein Gesetz, sondern auch keinen Stolz, wie der Gipfel der sprachkulturellen Selbstaufgabe zeigt: Für das Mobiltelefon hat sich der englisch klingende Begriff „Handy“ eingebürgert − obwohl es den im Englischen gar nicht gibt. Überall stolpert man über unnötige Fremdlaute: Eine Sommer- und Winterrodelbahn in der traditionsreichen Provinz Tyrol hört auf den vor allem für das Tyroler Gaumensegel unfallträchtigen Namen „Alpine Coaster“. Und auf dem Nassfeld in Kakanig ist an Stelle des Schlepplifts „Hohe Höhe“ − einer der schönsten Alpenpleonasmen überhaupt, der unter Sprachenschutz gestellt werden müsste − ein Sechser-Sessellift mit beheizten Sitzflächen namens „Warm Up“ getreten. Da wird einem ja der Arsch wassrig, sagen die knorrigen, ursprünglichen Menschen aus den hohen Bergen und tiefen Wäldern zu diesen zeitgeistigen Kopfgeburten radebrechender, anglophilistischer Reklamefritzen.
Dennoch scheint die Umsprachung Ösiens sogar in der inoffiziellen, 15 Jahre alten Landeshymne eines schneebegeisterten Sängers bereits unumkehrbar vollzogen: I am from Osia.